Drei Tage nachdem unser Visum offiziell abgelaufen war, begaben wir uns erneut in die Telefon-Warteschleife bei USCIS (Behörde für Visaangelegenheiten). Wir kamen aber einfach nicht durch. Am nächsten Tag versuchten wir es erneut, doch flogen nach kurzer Zeit aus der Warteschleife. Versuch Nummer zwei an dem Tag war dann endlich erfolgreich. Doch die Beamtin am Telefon konnte uns nur sagen, dass sie alle erforderlichen Dokumente erhalten hatten und unser Fall letzte Woche an einen anderen Officer weitergeleitet wurde. Und wie ging es jetzt weiter? Wir sollen uns keine Sorgen machen und nochmal anrufen, falls wir bis Freitag (es war Dienstag) keinen Rückruf erhalten sollten.
Bei unserer täglichen Recherche bezüglich der kanadischen Grenze, ereilte uns folgende Nachricht: Ab dem 9. Juni dürfen Familienangehörige nach Kanada einreisen, müssen sich jedoch 14 Tage in Quarantäne begeben. Für Reisende ist die Grenze jedoch weiterhin geschlossen. Also weiter abwarten.
Zur Ablenkung ging es auf Motorradtour durch den Los Angeles National Forest im Norden der Stadt. Wir waren auf einmal mitten in den Bergen und waren voll in unserem Element. Nur auf dem Rückweg passierten wir Polizeikontrollen mit gemischten Gefühlen. Wir waren ja nun quasi illegal im Land…
Am Freitag, 12. Juni (unser Visum war nun schon fast eine Woche abgelaufen) riefen wir erneut bei USCIS an. Auf unsere Emails (mittlerweile drei) hatte niemand reagiert. Es wurde uns mitgeteilt man würde uns innerhalb der nächsten 317 Minuten (muss man nicht verstehen) zurückrufen. Kurz vor Ablauf der 317 Minuten bekamen wir tatsächlich einen Rückruf. Wir mussten wieder alle unsere Daten angeben und bekamen eine neue Fallnummer zugewiesen. Doch auch dieser Officer konnte uns nicht helfen und leitete unseren Fall weiter an einen anderen Officer. Dieser würde uns dann zurückrufen. Wann wurde uns nicht gesagt. Das war ja mal wieder sehr unbefriedigend! Wir verstanden wirklich nicht wo das Problem war. Ein befreundeter Backpacker aus Belgien war derzeit auch in den USA und wollte ebenfalls nach Kanada. Er hatte die Verlängerung seines Visums innerhalb eines Tages in der Tasche…
Da wir jeden Tag auf die Nachricht warteten, ob die kanadische Grenze nun am 22. Juni öffnen würde, bereiteten wir alles für eine mögliche Weiterreise vor. Neben dem Equipment-Check stand so auch die Reiseplanung an. Doch diese war sehr frustrierend und nervenaufreibend. Mit der iOverlander App und der Webseite www.freecampsites.com suchten wir nach Übernachtungsmöglichkeiten. Es hatten sehr wenige Campingplätze auf und wenn einer auf hatte, hieß das noch lange nicht, dass wir dort übernachten konnten. Es gab oft die Regelung, dass nur bestehende Reservierungen galten und man weder einfach aufkreuzen, noch kurz davor reservieren könne. Wildcampen würde auch sehr schwierig werden, da es oft nur kleine Parkbuchten neben dem Highway gibt, auf denen wir schlecht ein Zelt aufbauen können.
Am Montag, 15. Juni (wir versuchten nun schon seit 2,5 Wochen eine Visumsverlängerung zu bekommen!) warteten wir mal wieder auf einen Rückruf von USCIS. Doch er kam und kam nicht. Deshalb versuchten wir unser Glück bei der deutschen Botschaft. Aber auch dort konnte man uns nicht helfen.
Am nächsten Tag kam endlich eine E-Mail von USCIS in der stand, dass Kai´s Visa Verlängerung genehmigt sei. Doch was war mit mir? Erst Stunden später kam auch meine Bestätigung per E-Mail. Wir waren erleichtert und freuten uns wie Schneekönige, doch die Freude war nicht von Dauer. Uns ereilte die Nachricht, dass die kanadische Grenze abermals für einen weiteren Monat geschlossen bleiben würde. Bedeutete dies nun tatsächlich das Ende unserer Reise? Wir konnten es nicht fassen und mussten die Neuigkeiten erst mal verdauen. Fast zwei Tage lang diskutierten wir, entschieden uns letztendlich dann aber für die Unterbrechung (wir sagen mal bewusst nicht „Abbruch“) unserer Reise. Auch wenn uns diese Entscheidung unendlich schwer viel.
Doch nachdem die Zeit des Wartens vorbei war und wir nun endlich eine Entscheidung getroffen hatten, wurden uns erneut Steine in den Weg gelegt. Mit der Verschiffung (oder auch Verfliegen) der Motorräder lief nicht alles wie geplant. Wir wollten mit Intime Ham zurückverschiffen, da wir auf dem Hinweg nach Chile mit dieser Agentur sehr gute Erfahrungen gemacht hatten. Doch derzeit gab es nur die kostenintensive Variante von Oakland (bei San Francisco) zu verschiffen und nicht von Los Angeles. Zudem würde auch noch ein „Corona-Gefahrenzuschlag“ dazu kommen. Also ging die Recherche mal wieder los. Kai klemmte sich an Handy und Laptop und versuchte eine Alternative zu finden. Währenddessen desinfizierte ich mit unserem Mitbewohner das gesamte Haus, da der Freund unserer Mitbewohnerin mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Corona hatte und sie sich selbst womöglich angesteckt hatte. So lebte sie nun in Einzelquarantäne in ihrem Zimmer und wir bekochten sie. Der Arzt ihres Freundes hatte diesem davon abgeraten einen Test durchführen zu lassen, um nicht andere Menschen anzustecken. Wir hingegen sollten uns alle testen lassen. Jedoch stellten sich unsere Krankenversicherungen quer. Da es sich hier um eine präventive Maßnahme und keine nötige Behandlung handelte. So mussten wir eine Organisation finden, die gewillt war uns zu testen. Nur so würden wir Klarheit haben. Dies war eine sehr besondere Situation mit der wir alle erst einmal zurechtkommen mussten. Wir wollten schnellstmöglich unsere Motorräder verschiffen oder verfliegen, denn falls wir Symptome bekommen sollten, wären wir nicht mehr dazu im Stande die Motorräder zu bepacken, geschweige denn zum Abgabeort zu fahren. Doch es war Wochenende und wir erreichten natürlich nichts.
In der nächsten Woche ließen wir uns testen und bekamen sogar innerhalb von zwei Tagen das Ergebnis: Negativ! Gott sei Dank! Dann bekamen wir auch endlich Antwort von den Speditionen. Letztendlich entschieden wir uns für CFR Rinkens. Die Agentin war sehr nett und hilfsbereit. So konnten wir innerhalb von zwei Tagen die Motorräder in Los Angeles abgeben. Die Fahrt dorthin war hart. Wir bepackten die Motorräder wie fast jeden Tag auf unserer Reise, nur diesmal schlugen wir nach Ankunft am Zielort kein Zelt auf… Nun war es tatsächlich vorbei. So langsam begannen wir es zu realisieren und es tat verdammt weh. Wir fuhren mit gemischten Gefühlen durch die Straßen von Compton. Vor Ort hieß es dann alles abladen, umziehen, Batterien abklemmen und Motorräder wieder beladen. Der Abschied von unseren Pferden viel schwer. Drei Stunden später war der Spuk vorbei und wir auf dem Rückweg in unsere Corona-WG.
Eigentlich wollten wir direkt nach Norddeutschland fliegen, die Quarantäne absitzen und noch 1-2 Wochen auf unsere Motorräder warten, um dann zurück an den Bodensee zu fahren. Doch die Spedition teilte uns mit, dass wir mit einer Ankunft der Motorräder erst in 8-9 Wochen rechnen könnten. Deshalb entschieden wir uns dazu erst einmal nach Hause zu fliegen. Die Flugpreise waren jedoch horrend. Mehr als das doppelte als normal. Dazu kamen noch die Kosten für das Aufgabegepäck. Da wir das meiste auf den Motorrädern gelassen hatten, mussten wir zumindest nur für ein Aufgabegepäck zahlen.
Die letzte Woche vor Abflug nutzen wir noch für ausgiebige Spaziergänge und Wanderungen mit unserem vierbeinigen Mitbewohner, aßen fast jeden Abend zusammen mit der gesamten Corona-WG und feierten eine Abschiedsparty mit koreanischem BBQ und „Sake Bombs“. Auf einen super schönen Abend folgte das große Leiden am nächsten Tag… 😉
Der Abflug rückte immer näher, das Ende unseres Visums aber leider auch. Nachdem wir nach drei Tagen immer noch keine Info von der Behörde (USCIS) erhalten hatten, rief Kai erneut an. Doch mal wieder konnte man uns nicht helfen. Wir seien schon auf der „urgent list“, es würde versucht werden noch so viel wie möglich abzuarbeiten denn am nächsten Tag (Freitag) wäre die Behörde auf Grund des 4. Julis (Samstag) geschlossen. Verdammt! Natürlich erhielten wir an diesem Tag keine Info mehr. Somit müssten wir auf milde gestimmte Zollbeamten am Abflugtag hoffen…
Nachdem die Motorräder nun schon bei der Spedition standen und wir einen Flug hatten, wurden uns erneut Steine in den Weg gelegt. Ausgerechnet an unserem Abflugtag führt die Schweiz nun eine neue Quarantäneregelung ein. Jeder der aus einem Risikogebiet kommt, muss sich direkt nach Ankunft sofort in Quarantäne begeben. Wir hofften inständig, dass man uns zumindest nach Deutschland ausreisen lassen würde. Wenn nicht, würden das ein paar sehr teure Tage in der Schweiz werden. Zudem ging unser Flug über Serbien, welches nun auch Risikogebiet war und Griechenland die Grenzen zu Serbien schon geschlossen hatte. Super!
Am Wochenende vor dem Abflug gingen wir auf Abstand zu unseren Mitbewohnern, da diese sich mit ihren Freunden getroffen hatten. Wir wollten nicht riskieren krank zu werden, da wir mit Symptomen nicht fliegen dürfen. Deshalb fassten wir so gut es ging alles mit Tüchern an. Aber in einem Haushalt ist das extrem schwer.
Am Morgen des Abflugs bekamen wir kurz Schnappatmung. Unser Flug erschien nirgends! Und einige Flüge waren schon gestrichen worden! Doch zum Glück fanden wir ihn dann doch. Der Abschied von unserer WG musste nach vier Monaten leider mit Abstand erfolgen. Pablo dachte, wir wollen mit ihm laufen gehen, so wie jeden Morgen. Armer Kerl. Der Flughafen war wie ausgestorben. Der erwartete Gesundheitscheck blieb aus. Gähnende Leere auch vor den Kontrollen. Wir schickten ein Stoßgebet gen Himmel, dass der Zoll uns auch mit abgelaufenem Visum durchließe. Die Behörde hatte natürlich nicht mehr angerufen. Wir hatten Glück und der Beamte ließ uns passieren. Er meinte nur wir sollten das nach Ankunft noch klären, sodass wir bei einer zukünftigen Einreise keine Probleme bekommen würden.
Im Flugzeug hatten wir eine Reihe für uns, was sehr angenehm war. Dann kam der Abflug und wir realisierten, dass es nun tatsächlich vorbei war. Covid-19 hatte uns tatsächlich zum Abbruch unserer Reise gezwungen. Wir hatten ja mit viel gerechnet, aber nicht damit. Fassungslosigkeit und Wut stieg wieder in uns auf, aber im Moment war es das Wichtigste gesund in Deutschland anzukommen. Wir lenkten uns mit Filmen ab (es gab nicht mal Alkohol!) und waren froh, als wir zumindest schon mal in Amsterdam ankamen. Europa hatte uns nach eindreiviertel Jahren wieder. Unglaublich!
Der zweite Flug war nicht so angenehm. Social Distancing? Fehlanzeige! Jeder Sitzplatz war ausverkauft und wir saßen alle dicht an dicht. Zum Glück ging der Flug nur knappe zwei Stunden. In Belgrad angekommen mussten wir einmal durch die Kontrollen und Einreisen, da wir im Transitbereich keine Boardtickets bekamen. Nach fast zwei Jahren ohne Rasierer sah Kai natürlich nicht mehr so aus wie auf seinem Passfoto. Damit hatte der Zollbeamte augenscheinlich ein Problem. Nach kurzem hin und her ließ er uns aber dann doch passieren. Gott sei Dank! Das war die schnellste Ein- und Ausreise in ein Land auf unserer Reise. Innerhalb von wenigen Minuten hatten wir den Ein- und Ausreisestempel. Super! Aber ausgerechnet von einem weiteren Risikogebiet! Da werden sich die Schweizer aber freuen! Am Schalter wurden wir abermals auf die neue Quarantäneregelung der Schweiz hingewiesen. Nur nicht drüber nachdenken…
Auf dem letzten Flug nach Zürich waren wir ganze 15 Passagiere. Wir waren froh, dass der Flug nicht gestrichen wurde. Wirklich rentiert hatte sich das für die Fluggesellschaft ja nicht. Ein letztes Mal desinfizierten wir routiniert alles um uns herum. Zu essen gab es außer Schweizer Schokolade wieder nichts. Gut, dass wir so viele Snacks eingepackt hatten! Wir flogen über die Alpen und den Bodensee. Mit gemischten Gefühlen landeten wir in Zürich. Nun ging es ums Ganze. Wie würden die Schweizer reagieren? Doch wir hatten Glück und gerieten an eine sehr nette Beamtin die uns nach kurzem Smalltalk tatsächlich passieren ließ! Nichts wie weg! Nachdem bis dahin alles glatt gelaufen war, fuhr uns nun der Zug vor der Nase weg. Eine Stunde warten. An der Fähre angekommen wurden wir informiert, dass diese nun nur noch jede halbe Stunde statt alle 15 Minuten fahren würde. Somit würden wir den Anschlussbus verpassen. Wieder eine Stunde warten. Jetzt hatten wir die Schnauze voll! Es war schon spät und wir schnitzelfertig. Deshalb gönnten wir uns ein Taxi (von Lateinamerika war ich noch gewohnt zu verhandeln, was Kai etwas peinlich war). Zuhause angekommen, vesperten wir auf dem Balkon mit deutschem Bier und chilenischen Rotwein. Mein Vater war so lieb und hatte uns ein Willkommensesspaket hingestellt. Wir waren tatsächlich zu Hause! Wir konnten es nicht fassen! Wir hatten uns immer ausgemalt wie es sein würde nach Hause zu kommen und alle wieder zu sehen. Stattdessen saßen wir nun in Quarantäne und durften niemanden sehen, geschweige denn in den Arm nehmen. Das war hart. Danke Corona!
Es ging mal wieder auf Motorradtour. Diesmal nach Malibu. Es gibt unzählige Straßen und Möglichkeiten um über die Berge ans Meer zu gelangen. Ein unglaubliches Fahrerlebnis. Und diesmal machte sogar das Wetter mit. Statt dem Nebelmeer wie beim letzten Mal, wartete diesmal das richtige Meer auf uns.
In L.A. County war es mittlerweile möglich kostenlos einen Test auf Covid-19 zu machen. Da unsere beiden Mitbewohner sich angemeldet hatten, gingen wir mit. Am Testtag reihten wir uns in die ewige Autoschlage ein. Der Test selbst ging nur wenige Minuten. Das Testergebnis bekämen wir in fünf Tagen, wurde uns vor Ort mitgeteilt. Im Anschluss ging es zu In-N-Out-Burger. Die gleiche Idee hatten alle anderen, die sich zuvor hatten testen lassen, wohl auch. Also wieder anstellen. Am Abend gab es dann nochmal Burger, aber selbst gemacht. Nach ein paar Bier mussten alle auf die Waage. Sogar Pablo, der vierbeinige Mitbewohner. Wir hatten alle zugenommen. Hund inkludiert 😊 Ab dem nächsten Tag müssten wir uns am Riemen reißen. Jetzt gab es aber erst mal noch ein Eis. Morgen war schließlich auch noch ein Tag!
Mit den Motorrädern ging es mal wieder auf Erkundungstour, diesmal nach Hollywood. Durch einen Tipp im Internet fanden wir einen Ort, an dem wir Fotos mit unseren Motorrädern machen konnten. Mit den eigenen Motorrädern in Hollywood, unfassbar! Ein Gutes hatte die vorherrschende Krise: Es war fast nichts los und wir konnten in Ruhe Fotos machen.
Langsam wurde auch in den USA einiges gelockert. Doch die Grenze zu Kanada blieb weiterhin geschlossen. Sogar bis 21. Juni. Somit standen zwar unsere Chancen auf eine Visumsverlängerung ganz gut, wir mussten aber grundlegend entscheiden, ob wir nochmals vier Wochen warten konnten und wollten oder ob wir die Reise abbrechen sollten. Nach langer Diskussion entschlossen wir uns dazu abzuwarten und zu hoffen, dass wir eine Visumsverlängerung bekommen würden.
Nachdem einen Tag zuvor die Strände wieder geöffnet wurden, fuhren wir gleich am nächsten Tag zum Strand. Doch mit dieser Idee waren wir nicht alleine. Wir reihten uns schön in den Stau ein, nur um dann festzustellen, dass nicht alle Strände geöffnet waren. Genau der zu dem wir wollten war natürlich abgesperrt. Also weiter nach Topanga. So wie alle anderen Verkehrsteilnehmer auch. Dort angekommen das nächste Problem: Wenn ein Strand geöffnet war, hieß das noch lange nicht, dass auch die Parkplätze geöffnet waren. In einer Seitenstraße fanden wir dann aber zum Glück einen Parkplatz und liefen die restlichen paar hundert Meter zum Strand. Hätten wir gewusst, dass wir am Surfspot Topanga rauskommen, hätten wir unser Surfbrett mitgenommen. So genossen wir aber zumindest die Zeit am Meer, den Sand unter unseren Füßen und schauten den Surfern zu. Doch auch wenn manche Strände offiziell wieder geöffnet wurden, hieß das noch lange nicht, dass man alles durfte. Es hing ein großes Plakat an den Sanitäranlagen mit Regeln. Kurz gesagt machten wir alles falsch. Es war nur erlaubt Surfen, Schwimmen und Laufen zu gehen. Jegliches am Strand aufhalten, Sonnenbaden oder sogar Picknicken war untersagt. Gut, dass wir Sandwiches dabeihatten und gemütlich auf unseren Handtüchern saßen. Aber wir waren nicht die einzigen. Erst als die Sonne schon lange untergegangen war, wir die Lichter der Stadt in uns aufgesogen und den spielenden Delfinen zugeschaut hatten, fuhr die Polizei Patrouille. Wir packten schnell alles zusammen und verließen den Strand.
Nach anderthalb Wochen bekamen wir dann endlich die Testergebnisse zu Covid-19. Negativ!
Auch die kleineren Parks machten langsam wieder auf. So konnten wir endlich in den Westridge-Canyonback Wilderness Park in den Santa Monica Mountains wandern. Dieser liegt nur eine knappe dreiviertel Stunde zu Fuß entfernt. Von dort oben hat man einen tollen Blick auf das Valley und sieht sogar das Meer und L.A. Downtown in der Ferne.
Unsere wöchentliche Motorradtour führte uns diesmal auf den Spuren des „Prinz von Bel Air“ durch gleichnamigen Stadtteil und vorbei an der Playboy Mansion in Beverly Hills. Und der ein oder andere von uns wollte doch ein paar Bunnies sehen 😉 Die großen Villen und Anwesen sind jedoch so gut durch hohe Hecken und Zäune geschützt, sodass man nichts sehen kann. Zurück ging es wieder einmal auf dem Mullholland Drive, diese Straße ist einfach jedes Mal ein Genuss.
Über eine Woche vor Ablauf unseres Visums kontaktierten wir erneut die zuständige Behörde (USCIS). Es hieß man würde uns innerhalb der nächsten 24 Stunden zurückrufen. Doch der Anruf kam und kam nicht. Zwei Tage später kam dann endlich der erlösende Anruf. Man nahm unsere Personalien auf und teilte uns mit, dass uns ein anderer Beamter in ein paar Tagen anrufen würde, dem wir unsere Gründe darlegen sollten. Das könnte aber auch nach Auslauf unseres Visums passieren. Wir sollten uns aber keine Gedanken machen, wir würden die 30 Tage Verlängerung wohl bekommen. Na dann hoffen wir mal, dass das auch stimmt…
Bei einem unserer täglichen Spaziergänge mit Pablo hielt auf einmal ein Auto neben uns an:“Ey Mann! Dein T-Shirt gefällt mir! Ist aus Guatemala oder?“ Kai hatte an dem Tag sein Gallo-Bier T-Shirt aus Guatemala an. Ein paar Woche zuvor fuhr ein Polizeiwagen zweimal an uns vorbei und der Polizist grüßte uns mit dem Surfer Hangloose Zeichen 😊
Pfingsten feierten wir mit mexikanischem Essen (Tacos und Quesadillas) und einem koreanischen BBQ. Letzteres hatten wir noch nie, werden wir ab jetzt aber sicherlich öfter machen. Gemütlich am Tisch sitzen und stundelang Fleisch grillen – vor allem genau Kai´s Lieblingsbeschäftigung. Aber das Pfingstwochenende war auch das Wochenende der Unruhen. Am Samstagabend wurde über die Nacht eine Ausgangssperre verhängt und wir hörten Schüsse in der Nähe. Pfingstsonntag war dann der 600. Tag auf unserer Reise und der 73. Tag im Lockdown in Los Angeles. Nachdem in Deutschland sich langsam wieder alles zu normalisieren schien, waren wir immer noch eingesperrt. So hatten wir uns das aber nicht vorgestellt! Wir wollten endlich weiterreisen!
Auf Grund der Proteste wurden über mehrere Tage Ausgangssperren verhängt. Meist vom späten Nachmittag bzw. Abend bis zum nächsten Morgen. Während wir anfangs noch recht weit weg von den Unruhen waren (ca. 20 Minuten), waren sie am Montag dann in den benachbarten Stadtteilen. Wir saßen gerade mit unserer WG auf der Terrasse, als in der Nähe erneut Schüsse zu hören waren. Nicht sehr angenehm. Aber immer noch weit genug weg. Sogar im Friseursalon eines Freundes unseres Mitbewohners hatte es am Wochenende in Long Beach Plünderungen gegeben. In unserem Stadtteil waren einige Geschäfte mittlerweile verbarrikadiert, bisher kam es aber noch nicht zu Räubereien.
Dann kam endlich der Anruf von USCIS bezüglich unserer Visa Thematik. Wir sollten per E-Mail unsere Reisepässe mit Eingangsstempel, sowie den Hinderungsgrund an der Ausreise angeben. Am Telefon wurde uns gesagt, dass wir in unserem Fall den Link zur Bestätigung über die Grenzschließung Kanada/USA angeben sollen. Man würde uns innerhalb der nächsten 72 Stunden über die weitere Vorgehensweise informieren. Und so begann das große Warten.
Während wir auf die Visumsverlängerung warteten, fuhren wir mit den Motorrädern erneut nach Malibu und wanderten nochmals zum Westridge-Canyonback Wilderness Park. Leider ohne das obligatorische Vesper und Gipfelschnaps im Gepäck. Ohne gehen wir normalerweise nicht auf Wanderung!
Am Freitag, nachdem die 72 Stunden Wartezeit schon lange vorbei waren, erkundigten wir uns bei USCIS (Behörde für Visaangelegenheiten) per E-Mail ob noch etwas benötigt wird und wann man uns informieren würde. Doch wir bekamen vor dem Wochenende keine Auskunft mehr und das, obwohl unser Visum am Samstag auslief. Langsam wurden wir nervös… Zudem riefen wir erneut bei Air Cargo Kanada an um uns bezüglich des „Fly Your Bike“ Programms zu erkundigen. Doch leider wurde uns mitgeteilt, dass das Programm auf Grund der Krise für 2020 komplett ausgesetzt wurde. Das war ein richtiger Tiefschlag für uns. Somit würden wir im Falle einer möglichen Weiterreise nach Kanada wertvolle Zeit auf Grund einer Verschiffung verlieren, da das Verfliegen (zumindest über das kostengünstige „Fly Your Bike“ Programm) von Kanada nach Europa nicht möglich sein würde.
Auch am nachfolgenden Wochenende gab es weitere Demonstrationen. Diesmal sogar in unserem Stadtteil. Wir wussten davon jedoch nichts und waren auf dem Weg zum wöchentlichen Einkauf als uns die ersten Demonstranten entgegenkamen. Wir nahmen eine Parallelstraße und hofften von dort zum Supermarkt zu gelangen. Doch genau dort schien die Demonstration zu starten. Wir hielten Abstand und versuchten unauffällig zum Supermarkt durchzukommen. Als Ausländer mit abgelaufenem Visum wollten wir nicht unbedingt von der Polizei entdeckt werden… Ein gutes hatte es: Der Supermarkt war wenig besucht.
Das kulinarische Highlight in der Woche: selbstgemachtes Beef Jerky, indisches Kichererbsen-Curry und Quiche Lorraine. Wenn alle Stricke reißen machen wir einfach ein Restaurant auf!
Die nächsten Tage waren wieder recht regnerisch und kalt. Da war sogar das Wetter zu Hause wärmer und besser. Wir nutzten die Zeit für Recherche, Weiterbildungen und arbeiteten an unserer Webseite. Endlich bekamen wir Auskunft zum Thema Visumsverlängerung. Wir könnten einen Antrag zur Verlängerung bzw. einen Antrag für ein neues Visum online beantragen, dazu würden wir jedoch ein biometrisches Passbild benötigen (schwierig, wenn alles geschlossen ist) und das Ganze würde pro Person insgesamt 440$ kosten. Jedoch käme es auf Grund der vorherrschenden Situation gegebenenfalls zu einer längeren Bearbeitungszeit. Für wie lange das Visum dann gilt und ob wir es bekommen, konnte man uns aber nicht sagen. Das klang ja schon mal vielversprechend!
Ostern feierten wir in unserer WG mit einem BBQ und einem Osterfeuer. Wir unternahmen eine kleine Motorradtour durch die Los Angeles Hills und am Ostersonntag gab es Brunch und Sektfrühstück. Es war ein sehr schönes Wochenende.
Neue Woche, neue Hoffnung. Aber auch wieder die Frage: Wie geht es weiter? Um genauere Infos zur Visumverlängerung zu erhalten, riefen wir nochmals bei der zuständigen Behörde an und begaben uns erneut in die Warteschleife. Dann mal gute Neuigkeiten: Auf Grund der Situation gäbe es eventuell die Möglichkeit unser Visum doch um 30 Tage zu verlängern. Und das sogar kostenlos! Unsere Handynummer wurde notiert, man würde uns innerhalb der nächsten 72 Stunden bezüglich eines Vororttermins anrufen. Es lohnt sich manchmal eben doch ein zweites Mal anzurufen. Von dieser einfacheren und kostengünstigen Art der Visumsverlängerung hatte die Beamtin beim ersten Telefonat nämlich nichts gesagt und dass, obwohl wir explizit danach gefragt hatten.
Am Donnerstagabend, 16. April sollte dann endlich bekannt gegeben werden wie es mit den Maßnahmen und Restriktionen in den USA weitergehen würde. Den ganzen Tagen waren wir nervös und versuchten uns abzulenken. Wenn die Ausgangssperre verlängert werden würde, würde das den sicheren Abbruch unserer Reise bedeuten. Dann endlich die Verkündung: Es gäbe einen drei Phasen-Plan zur Lockerung der Maßnahmen. Doch jeder Bundesstaat darf selbst entscheiden welche Maßnahmen wann gelockert werden sollen. Grundsätzlich war diese Neuigkeit positiv für uns. Der Lockdown würde nicht überall verlängert werden, aber wir wussten so auch nichts Konkretes. Somit waren wir nicht unbedingt schlauer als vorher. Aber solange wir keine Visumsverlängerung in der Tasche hatten, könnten wir sowieso nichts entscheiden. Also wieder mal abwarten und Bier, äh Tee trinken.
Dann kam endlich der Anruf von USCIS wegen einem Termin zur Visumsverlängerung. Doch die Beamtin hatte keine guten Neuigkeiten für uns. Wir würden nur eine Verlängerung bekommen, wenn unser bisheriges Visum kurz vor dem Ablauf (5 Tage zuvor) wäre und wir triftige Gründe (natürlich dokumentiert) hätten weshalb wir nicht ausreisen konnten. Wir versuchten unsere Lage zu erklären und wiesen darauf hin, dass die Grenze zu Kanada noch bis Ende Mai geschlossen wäre. Doch sie konnte uns leider nicht helfen. Wenn wir ein anderes Visum beantragen würden, würde die Bearbeitungszeit zwei bis fünf Monate gehen. Gut, dass unser Visum noch sechs Wochen gültig war! Sie gab uns nur den Tipp, es bei der US Custom Border Patrol zu versuchen. Also riefen wir dort an. Doch dort wurden wir wieder auf USCIS verwiesen. Na toll. Also dort wieder angerufen. Diesmal war eine sehr nette Beamtin dran, die unsere Situation zu verstehen schien. Nach langem hin und her priorisierte sie unseren Fall. Wir würden einen Anruf von einem höheren Officer erhalten. Der Anruf kam innerhalb weniger Minuten. Doch auch dieser Officer konnte uns nicht helfen. Zumindest bekamen wir die Info, dass die Büros ab Mai wieder geöffnet wären. Also würden wir dann nochmals unser Glück vor Ort versuchen müssen.
Wir machten uns die Zeit in L.A. so schön es ging. Das Wetter wurde sehr sommerlich (teilweise über 35 Grad) und wir grillten viel mit unserer Corona-WG. Kulinarisch ließen wir nichts aus: Es gab Pulled Pork und Mexikanisches Essen. Kai hatte da seine ganz eigene Art einer Quarantänen-Plauze entgegenzuwirken: Statt zwei Croissants gab es für ihn von nun an nur noch ein Croissant als Nachtisch. Wenn das mal keine Disziplin war! Zum Glück wartete Pablo jeden Morgen mit seinem treuen Hundeblick, dass wir endlich mit ihm laufen gehen würden. So hatten wir zumindest etwas Bewegung. Wir lernten auch neue Dinge kennen: Wir wanderten in der virtuellen Welt (VR) wie Godzilla durch Innsbruck und liefen an unserer alten Wohnung am Bodensee vorbei. Einen Abend nahmen wir mit unseren Mitbewohnern an einem Online Malkurs teil (natürlich mit dem ein oder anderen Getränk). Wir werden sicherlich nicht in die Fußstapfen von Picasso treten, es hat aber sehr viel Spaß gemacht mit Acryl-Farben zu experimentieren.
Vormittags nutzten wir immer wieder die „Kühle des Morgens“ zum Motorradfahren. Los Angeles ist nicht nur eine sehr grüne Stadt, sondern bietet auch schöne Berge mit kurvigen Straßen. So ging es zum Beispiel durch den Topanga Nationalpark und den Tuna Canyon. Von letzterem sahen wir nur leider nicht sehr viel, da es sehr neblig war. Auch am Meer hing der zähe Nebel und so mussten wir unser Vorhaben weiter nach Malibu zu fahren, vertagen.
Auf einmal war es dann schon Mai. Hingegen der Aussage des Beamten bei USCIS (Behörde für Visaangelegenheiten), blieben die Büros weiterhin geschlossen. Somit wurde unser Plan, persönlich vorstellig zu werden und zu hoffen, dass ein Beamter unsere Situation versteht und Einsicht hat, über den Haufen geworfen. Deshalb entschieden wir uns dazu direkt zu CBP (US Customs & Border Protection) zu fahren und nicht nur das fehlende Zolldokument zu besorgen, sondern auch dort unser Glück zwecks Visaverlängerung zu versuchen. Das Zolldokument bekamen wir dort sogar schon nach drei Anläufen, die Visaverlängerung hingegen nicht. Man gab uns eine andere Adresse. Dort riefen wir erst einmal an. Doch auch hier bekamen wir die gleiche Aussage wie fast immer: Erst fünf Tage vor Ablauf unseres Visums wieder melden… Bald mussten wir uns entscheiden. Unser Visum war nun nur noch vier Wochen gültig.
Kanada wollte bald die Restriktionen langsam lockern, die Grenze würde aber erst geöffnet werden, wenn die Zahlen in den USA nicht mehr ansteigen. Leider verzeichnete Kalifornien in der Woche zuvor den Höchststand an Todeszahlen seit Mitte März. Die westlichen Bundesstaaten (u.a. Kalifornien) hatte zwar mittlerweile auch angefangen gewisse Geschäfte wieder zu öffnen, Campingplätze etc. blieben jedoch weiterhin geschlossen. Es blieb also weiter abzuwarten, wie sich die Lage entwickeln würde.
Am 5. Mai feierten wir in unserer WG „Cinco de Mayo“, ein mexikanischer Feiertag. Die Amerikaner nennen den Tag auch „Cinco de Drinko“, klärten uns unsere Mitbewohner auf. So zelebrierten wir den Tag stilecht mit mexikanischem Essen und Margaritas.
Die Tage nach der Bekanntgabe des „Lockdown“ (Ausgangssperre) in Kalifornien, diskutierten wir viel. Sollten wir die Motorräder in den USA lassen und zurückkommen, wenn sich die Situation entspannt hatte? Aber wer wusste schon wann wir von Deutschland aus wieder in die USA einreisen könnten. Sollten wir die Motorräder nach Hause verschiffen und die Reise ganz abbrechen? Oder lieber die Ausgangssperre absitzen und hoffen, dass wir eine Visumsverlängerung bekommen würden? Wir wussten einfach nicht was wir machen sollten. Wir waren noch nicht bereit den Traum von unserer Weltreise aufzugeben. Zu Hause würde uns nur Quarantäne und Arbeitslosigkeit erwarten. Eine Wohnung hatten wir auch nicht. Und überhaupt, nach eineinhalb Jahren nach Hause zu kommen und statt eines großen Wiedersehens mit Familie und Freunden, zu zweit in Quarantäne zu gehen, war nicht das was wir uns vorgestellt hatten. So darf es einfach nicht enden!
Nachdem uns die deutsche Botschaft ein paar Tage zuvor noch ermuntert hatte in die Nationalparks zu fahren (Zitat: „frische Luft tut gut“), wurde uns nun nahegelegt schnellstmöglich das Land zu verlassen. So schnell ginge das in unserem Fall aber nicht und überhaupt wollten wir nicht die Pferde scheu machen. Wir entschlossen uns dazu erst mal abzuwarten und eine mögliche Verschiffung der Motorräder von Los Angeles aus anzufragen. Zudem registrierten wir uns sicherheitshalber bei "Elefand" (elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland). Noch gehörte die USA nicht zu den Ländern die von der „Rückholaktion“ betroffen war. Wir mussten uns also selbst um eine mögliche Ausreise kümmern.
Um mal raus zu kommen und was von der Stadt zu sehen, fuhren wir mit unserer Mitbewohnerin nach Hollywood. Wir hatten uns den Walk of Fame etwas pompöser vorgestellt, aber vielleicht lag das auch an den geschlossenen Geschäften und den fehlenden Menschenmassen. Das graue, regnerische Wetter, verschönerte das Bild auch nicht unbedingt. Aber hey, wir waren auf dem Walk of Fame!
Danach fuhren wir einmal durch Beverly Hills entlang des Rodeo Drive und bestaunten die großen Villen. Santa Monica Beach und auch der Pier waren leider auf Grund des „Lockdown“ komplett gesperrt. Sehr schade. Am Venice Beach machten wir einen kleinen Spaziergang im Nieselregen. Die Hippie-Geschäfte hielten sich wohl nicht an die neue Regelung und hatten offen. Auch sonst hatte der Anblick nicht das geringste mit den Fotos und Dokumentationen zu tun, die wir zuvor gesehen hatten: Überall hatten Obdachlose ihre Zelte aufgeschlagen, alles wirkte trist und grau.
Die Rückmeldung von der Spedition bezüglich einer möglichen Verschiffung unserer Motorräder war leider nicht sonderlich positiv: Von Los Angeles aus gab es derzeit gar keine Möglichkeit zu verschiffen, nur in der Nähe von San Francisco. Zudem fehlte uns das Zolldokument zur Ausfuhr. Dieses hatten wir an der Grenze nicht erhalten. Na das wird ja immer besser…
Toilettenpapier war mittlerweile in allen Läden ausverkauft. Wenn ein Supermarkt weiterhin Lieferungen bekam, waren diese kurz nach Ladenöffnung ausgeräubert. Wir fuhren deshalb extra in einen Großmarkt und dort kamen uns Einkaufswägen mit dem ersehnten Papier entgegen. Schnellen Schrittes liefen wir zielstrebig zum Regal. Vor uns fing eine Frau schon fast an zu rennen, wir beschleunigten unsere Schritte und dann die große Enttäuschung: Alles ausverkauft! Mist! Unser Mitbewohner bestellte dann Toilettenpapier online, doch der Liefertermin wäre frühestens in vier Wochen! Wie war das nochmal mit den Eichhörnchen? Aber soweit wollten wir es nicht kommen lassen. Deshalb organisierte unser Mitbewohner Toilettenpapier bei einer Freundin, die im Gegensatz zu uns, großzügig gehortet hatte. Gott sei Dank!
Ansonsten versuchten wir uns viel abzulenken. Das Wetter wurde immer besser und es regnete nicht mehr oft. Wir gingen viel mit Pablo spazieren, auch wenn wir sehr lange laufen mussten um ins „Grüne“ zu kommen. Leider waren mittlerweile auch sämtliche Parks geschlossen. Pablo, unser vierbeiniger Mitbewohner, erheiterte uns sehr mit seinen Spieleinlagen, zwischendurch trank er aus der Toilette und legte einem danach den Kopf in den Schoß. Yummy… Wir schauten abends mit der gesamtem WG Filme, machten BBQs, sowie ein Beer Tasting und halfen bei der Gartenarbeit. Kulinarisch ließen wir es uns gut gehen, wir hatten das ja verdient. Doch bald würden nicht nur wir, sondern auch Pablo eine Diät nötig haben…
Die ganzen Maßnahmen zur Ablenkung funktionierten recht gut bis uns eine neue Nachricht ereilte: Die Maßnahmen in den USA wurden bis Ende April verlängert! Ratlos und deprimiert gingen wir mal wieder Alternativen durch. Aber so wirkliche Alternativen hatten wir eigentlich nicht. Es blieb uns nur übrig weiter abzuwarten und dann irgendwann die Entscheidung zu treffen weiterzufahren (falls möglich und mit allen Konsequenzen) oder abzubrechen.
Zumindest war nach zwei Wochen die Yamaha endlich fertig und somit ein Pferchen zurück im Stall. Ein paar Tage später holten wir dann die BMW ab. Wir machten eine Testfahrt, genossen das warme Wetter und immer wieder kamen Erinnerungen der bisherigen Reise hoch. Zumindest das konnte Corona uns nicht nehmen! Doch nach einer Stunde überprüften wir den Motor und sahen, dass sich schon wieder Öl ansammelte. Das durfte doch nicht wahr sein! Also zurück in die Werkstatt. Hätte ja auch mal was glatt laufen können…
Obwohl wir immer noch einen minimalen Hoffnungsschimmer am Horizont sahen, wurde uns leider immer mehr klar, dass wir nicht ewig ausharren konnten. Also sprachen wir erneut mit den Speditionen bezüglich einer möglichen Verschiffung. Über Interfracht wäre sogar eine Verschiffung von Los Angeles aus möglich. Jedoch wäre es sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich, das fehlende Zolldokument nachträglich zu erhalten. Alternativ könnten wir die Motorräder auch zerlegen und in Einzelteilen verschicken. Diese Variante war uns aber etwas zu unsicher und aufwendig. Also versuchten wir unser Glück und riefen direkt beim Zollamt an. Dort hieß es wie zu erwarten, wir hätten das Dokument direkt nach Übertreten der Grenze einholen müssen. Die Zollbeamtin war aber sehr nett und meinte wir sollten mit allen Dokumenten und den Motorrädern vorbeikommen. Auf Grund unserer Notlage gäbe es vielleicht doch die Möglichkeit das Dokument nachträglich zu erhalten. Die Entscheidung ob und wann wir die Reise abbrechen würden, wollten wir dennoch noch etwas aufschieben. Noch wollten wir nicht aufgeben.
Nach ein paar Tagen war dann endlich auch die BMW fertig und wir konnten sie abholen. Wir verbanden die Abholung mit einer kleinen Motorradtour durch die „Hills“. Nun waren wir startklar: Motorräder gerichtet, neues Zelt, wir hatten mittlerweile sogar einen Wasserfilter und wir passten immer noch in unsere Motorradkleidung. Wenn da nicht der blöde Virus wäre…
Wir hatten uns ja schon gedacht, dass sich die Einreise in die USA etwas schwierig gestalten würde, vor allem wegen dem Corona Virus. Doch alleine Australien zu verlassen kostete schon etwas Nerven. In Perth beim Check-in wurden wir gleich schon mal nach unserem Visum für die USA gefragt. Da man keine Bestätigung darüber per Mail bekommt, mussten wir uns über das Handy des Mitarbeiters am Check-in auf der Regierungsseite der USA einloggen und unsere ESTA Genehmigungen (Visum) vorweisen. Dann mussten wir noch die Adresse angeben, wo wir die ersten Tage in den USA verbringen würden. Beim Zwischenstopp in Sydney wurden wir beim Eingang zum Gate kontrolliert und wir wurden von einem Beamten interviewt: Was wir in den USA machen werden, wie lange wir Reisen werden, wann wir wieder Ausreisen. Beim Boarding wurden wir zur Seite genommen und separat durchleuchtet. Dort mussten wir auch schon die Flugtickets für die Weiterreise vorzeigen, diese wurden dann sogar im System erfasst.
Nach über dreizehn Stunden Flug und sehr wenig Schlaf, kamen wir sogar eine halbe Stunde früher an als geplant. Doch der Zoll am Flughafen in L.A. macht erst um sechs Uhr morgens auf, so mussten wir eine halbe Stunde im Flugzeug warten, denn weder die Crew, noch die Fluggäste durften das Flugzeug vor sechs Uhr verlassen. Als es endlich soweit war, mussten wir uns mit allen anderen Passagieren der anderen Flugzeuge in einer langen Schlage vor den Kontrollen anstellen. Dank des ESTA Visums konnten wir direkt an einem Automaten unsere Pässe einscannen und Fingerabdrücke abnehmen lassen. Trotz des Corona Virus wurden hier aber keine Sicherheitsvorkehrungen oder Kontrollen vorgenommen. Nur ein paar Spender mit Desinfektionsmittel waren aufgestellt.
Dann ging es weiter zur nächsten Kontrolle. Wir standen an einer Schlange an und wurden wieder von einer Beamtin gefragt was wir in den USA machen und so weiter und sofort. Somit wurden wir zu einem Schalter geschickt, bei dem es noch mehr ins Detail ging. Die Beamtin dort nahm ihren Job sehr ernst und fragte uns komplett aus: Ob wir verheiratet sind, wie viel Geld wir haben, warum wir so lange Reisen können, wohin wir danach Reisen, etc. etc. Nach einer halben Ewigkeit waren wir dann endlich durch und hatten den langersehnten Stempel im Reisepass.
Bei der nächsten Kontrolle wurden wir nochmals (!) gefragt was wir in den USA machen etc. Also langsam war ja echt mal genug! Nach einer weiteren (zum Glück kurzen) Kontrolle waren wir dann endlich durch und aus dem Flughafen draußen! Willkommen zurück in Kalifornien!
Statt Sonne begrüßte uns ein grauer Himmel und Nieselregen. Super. Nach der Wiedersehensfreude mit unseren Pferdchen starteten wir einen Testlauf. Die BMW startete widererwartend nach drei Versuchen. Die Yamaha hingegen wollte nicht. Wir versuchten ein Batterieladegerät zu organisieren, leider ohne Erfolg. Am nächsten Tag sollten beide Maschinen in den Service. Doch diesmal gingen beide Motorräder in den Streik. Das war ja jetzt wohl nicht wahr! Alles Rödeln und Ruckeln half nichts. Sie wollten einfach nicht. Wir telefonierten durch halb Los Angeles um ein Batterieladegerät zu organisieren. Letztendlich wurde es dann mal wieder Amazon. Danach riefen wir bei ADAC an um uns zu erkundigen ob uns dort geholfen würde, falls es nicht an den Batterien läge. Dort wurde uns gesagt wir sollen direkt beim ADAC Partner in den USA anrufen, dem AAA. Gesagt, getan. Doch dort kannte man komischerweise den ADAC nicht und überhaupt, es werde nur Mitgliedern geholfen. Also blieb nur zu hoffen, dass es tatsächlich nur an den Batterien lag…
Am nächsten Morgen war das Paket mit dem Ladegerät glücklicherweise schon da. Wir hängten die Batterie der Yamaha sofort an und nutzten das gute Wetter um zum Supermarkt zu laufen. Nachdem wir etwas Zeit kaputt gemacht hatten, da wir uns ausgesperrt hatten und erst mal wieder in das Haus reinkommen mussten, war gegen Abend die Batterie der Yamaha geladen und wir konnten die BMW anhängen. Es regnete nachmittags mal nicht und so bauten wir unser neues Zelt probeweise in der Einfahrt auf. Wir freuten uns über unser neues zu Hause und hofften inständig, dass es bis zum Ende der Reise durchhalten würde. Den Aufbau müssten wir dann nochmal üben…
Guter Dinge und mit vollen Batterien, starteten wir am nächsten Morgen den dritten Versuch. Doch trotz voller Batterie sprang die Yamaha einfach nicht an. Die BMW hingegen schon, jedoch hatte sich über Nacht schon die dritte Öllache unter der Maschine gebildet. Es war doch zum Mäusemelken! Etwas ratlos riefen wir bei BMW an. Yamaha konnte, oder wollte uns nicht helfen. BMW gab uns die Nummer eines Mechanikers, der entweder vor Ort reparieren könnte oder uns ansonsten abschleppen würde. Erleichtert riefen wir den Mechaniker an. Doch dieser war gerade in seinem Urlaub in Mexiko! Wir konnten langsam nur noch Lachen. Das war jetzt ja wohl echt nicht wahr! Aber Fernando war sehr nett, und versprach uns Hilfe zu organisieren, denn er kannte noch ein paar Kumpels. Also setzten wir unsere gesamte restliche Hoffnung in den hilfsbereiten Mexikaner. So blieb uns nur abwarten und Tee bzw. Biertrinken. Mehr konnte bei dem Hundewetter sowieso nicht tun. Von wegen in Kalifornien scheint immer die Sonne…
Fernando hielt Wort und wir erhielten den Kontakt seines Kumpels, ein Yamaha-Mechaniker. Er konnte uns tatsächlich helfen und bot uns an den Service für Kai´s Yamaha sogar selbst durchzuführen. Zwei Tage später wurden die Motorräder dann abgeholt und zum Service gebracht. Na endlich! Nur bei BMW gab es dann doch noch eine schlechte Nachricht: Weder aus China, noch aus Deutschland können derzeit BMW-Ersatzteile geliefert werden. Na toll…
Die Situation bezüglich des Corona Virus in Europa beschäftigte uns sehr, zudem war mittlerweile ausgerechnet Kalifornien als Risikogebiet erklärt worden. Wir kontaktierten die deutsche Botschaft, waren danach aber genauso schlau wie vorher. Keiner wusste was passieren würde und wie wir uns nun verhalten sollten. Sollten wir wie geplant in die Nationalparks (Grand Canyon, Zion, Bryce etc.) fahren oder uns lieber eine Bleibe in L.A. suchen? Keiner konnte uns sagen wann und ob es zu einem „Lock-down“ kommen würde oder ob sogar die Grenzen geschlossen werden würden. Zu dem hatten wir Bedenken im Landesinneren an Lebensmittel zu kommen. Wir hatten deshalb vorsichtshalber einen Wasserfilter bestellt, um uns zumindest mit Wasser versorgen zu können. Des Weiteren war nur eine kurze Wetterbesserung in Sicht. Es war noch sehr kalt in den Nationalparks und es fiel teilweise Schnee oder Schneeregen.
Während wir auf unsere Motorräder warteten, ereilten uns stündlich neue katastrophale Neuigkeiten auf Grund des Corona Virus. Kanada hatte tatsächlich die Grenzen zu den USA dicht gemacht, die Lage in Kalifornien spitzte sich immer weiter zu und ein „Lock-Down“ in den USA wurde immer wahrscheinlicher. Wir versuchten zwar uns von der ganzen Panik-Mache nicht zu sehr beeinflussen zu lassen, aber wir machten uns langsam schon ernsthaft Gedanken um unsere weitere Reise. Zudem kursierte das Gerücht über ein nationales Reiseverbot innerhalb der USA.
In L.A. waren mittlerweile auch sämtliche Restaurants, Bars etc. zugemacht worden und die Mitarbeiter vieler Firmen wurden ins Home-Office geschickt. So auch unsere Mitbewohner.
Sobald es das Wetter zuließ gingen wir einkaufen. Mittlerweile musste man dazu Zeit einplanen, da man sich in eine Schlange einreihen musste, um überhaupt den Supermarkt betreten zu können. Wir kamen uns vor wie im falschen Film. Da konnte man langsam einfach nur noch drüber lachen! Zudem bekam man fast nichts mehr im Supermarkt. Unsere Camping-Grundnahrungsmittel wie Nudeln und Tomatensauce waren schon lange ausverkauft, aber nun ging es auch an Milchprodukte, Fleisch & Co. Das war langsame wirklich nicht mehr lustig.
Nach einem weiteren Frühstück ohne Eier (gab es nirgends mehr zu kaufen), was besonders für Kai sehr schlimm war (und für den Hund Pablo), schien zum ersten Mal seit Tagen die Sonne. Wir drehten eine große Runde mit Pablo, unserem vierbeinigen Mitbewohner, und genossen das Wetter. Da ging es einem doch schon gleich viel besser. Doch dann kam der nächste Tiefschlag: Ausgangssperre in ganz Kalifornien! Niedergeschlagen verfolgten wir die Nachrichten. Nur die tägliche Bierration und ein WG-Filmeabend konnte uns etwas aufmuntern. Nach jedem Bier wuchs unsere Hoffnung wieder ein bisschen mehr, dass wir trotz des „Lock-down“ doch noch irgendwann unsere Reise würden fortsetzen können.
Wir trauten uns am nächsten Tag kaum die Nachrichten anzuschauen. Alles wurde geschlossen. Neben Läden, Museen etc. nun auch noch die Nationalparks! Wir hatten zwar noch etwas Hoffnung, unsere Reise nicht abbrechen zu müssen, doch diese Hoffnung wurde tagtäglich immer mehr zerstört. Wir waren nun so weit gekommen, mussten wir nun wirklich wegen dem Virus unsere Weltreise abbrechen? Könnten wir überhaupt unsere Motorräder kurzfristig von Los Angeles nach Hause schicken? Oder sollten wir einfach noch ein bis zwei Wochen abwarten und dann entscheiden? Was würde zu Hause passieren? Müssten wir dann in Quarantäne? Dürften wir nach eineinhalb Jahren überhaupt unsere Familien und Freunde wiedersehen?